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Im Förderschwerpunkt "Nachhaltige Waldwirtschaft" gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (FKZ 0330607)

Juli 2009

Zentrale Ergebnisse aus dem Projekt wa'gen

Waldwissen und Gender-Analyse

Zielstellung

Ziel des Vorhabens aus drei Teilprojekten war es, die Geschlechterbezüge waldbezogener Umweltbildungsarbeit darzustellen, zum einen die darüber vermittelten leitenden Vorstellungen von Waldnatur sowie die Berufsverständnisse der zuständigen Bildungsakteure, zum anderen mit Blick auf die Organisationskultur der Forstverwaltungen. Erkenntnis leitend war dabei die Annahme, dass die Reflexion des "Unbenannten, aber machtvoll Mitgemeinten", d.h. von in naturbezogenen Bildungsaktivitäten mit transportierten gesellschaftlichen Werthaltungen und in den Prozessen und Strukturen eingeschriebenen Geschlechterverhältnisse sowie die Überwindung geschlechtsspezifischer Zuweisungen und Ausgrenzungen im forstlichen Handeln entscheidenden Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit sowohl der waldbezogenen Bildungsarbeit wie auch der Institution Forstverwaltung haben.

Der theoretische Rahmen des Verbundes fußte auf der konstruktivistischen Genderforschung und Organisationssoziologie, dem Ansatz der gesellschaftlichen Naturverhältnisse sowie genderreflektierenden Professions- und Bildungstheorien. Angewendet wurden quantitative (Fragebogenerhebung) und qualitative Methoden der Sozialforschung (ExpertInnen-, biografische und Gruppen-Interviews, Teilnehmende Beobachtung).

Waldbezogene forstliche Bildungsarbeit

Genderaspekte: Die forstliche Bildungsarbeit (sog. "Waldpädagogik") ist keine Frauendomäne, sondern wird mehrheitlich von Männern im Rahmen einer Vollzeitstelle durchgeführt. Die Teilzeit- oder freien Mitarbeitsstellen im forstlichen Umweltbildungssektor sind jedoch vorrangig von Frauen besetzt. Eine aktive Auseinandersetzung mit dem Geschlechter-Wissen für die Bildungsarbeit hat bislang im Zuge der aktuellen Entwicklungen kaum stattgefunden, wenn gleich eine grundsätzliche Offenheit dafür im Rahmen der Forschungsaktivitäten vorgefunden wurde. Die Geschlechterbezüge in der waldbezogenen Bildungsarbeit werden zwar von vielen der im Forst dafür Zuständigen gesehen, aber vorwiegend aus einem Mangel an Wissen und Know-How i.d.R. nicht konzeptionell in die Arbeitszusammenhänge integriert.

Naturkontexte: Der forstlichen Bildungsarbeit liegen Vorstellungen eines "entfremdeten" Verhältnisses von Kindern und Jugendlichen zu Natur zugrunde, die in ihren Auswirkungen weder ausreichend reflektiert werden noch hinreichend belegt sind. Waldnatur wird präsentiert als ökologisches Faszinosum, als vielfältiger Lernort, in dem aufzuhalten an sich bereits "heilsam" wirkt. Die forstlichen Umweltbildner/innen werden zu "adäquaten Vermittlern" dessen, was Waldnatur bietet. Die sozialen Aspekte von Natur und Waldbewirtschaftung werden vergleichsweise wenig thematisiert. Die Erfüllung der Ansprüche der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), wie z. B. die Vermittlung von "Zusammenhangswissen" - Integration ökologischer, sozialer, ökonomischer und globaler Waldbezüge - gilt als wichtig, aber unter den gegebenen Bedingungen kaum verwirklichbar.

Professionalisierung: Die Ziele der forstlichen Bildungsarbeit sind weitgehend unbestimmt. Innerhalb der Forstorganisationen haben sich Berufsbiographien entwickelt, die über eine ausgewiesene Expertise - teilweise mit forstlichen und (sozial)pädagogischen Berufsabschlüssen - in der Bildungsarbeit verfügen. Die Auseinandersetzung mit BNE setzt starke Impulse, die u.a. in die Weiterbildungsaktivitäten der Forstorganisationen aufgenommen wurden. Die jüngere Entwicklung hat zu einer tendenziellen Öffnung und einem verstärkten Austausch mit anderen Bildungsakteuren geführt. Die Ausgestaltung des forstlichen Bildungsauftrages befindet sich im Aushandlungsprozess. Für eine gelingende Professionalisierung wird es dabei insbesondere darauf ankommen, wie das Zusammenwirken mit den Akteuren der schulischen Bildung verläuft.

Forstverwaltungen als Männerdomäne

Bis Ende der 1970er Jahre gab es in den "alten" Bundesländern keine Försterinnen, da Forstverwaltungen jahrzehntelang nur "Vorgemerkte" in den beamteten Forstdienst einstellten. Voraussetzung für die Vormerkung wiederum war - als per se Frauen ausschließendes Instrument - der abgeleistete Wehrdienst, "ergänzt" um einen so genannten "Auswahllehrgang", ein meist mehrwöchiges "Assessment Center", das sorgfältig auf den Erfolg eines erwünschten, in jeder Hinsicht männlichen Persönlichkeitstypus hin konzipiert war. Erst 1978 fiel diese Auswahlhürde infolge veränderter beamtenrechtlicher Rahmenbedingungen im letzten westdeutschen Bundesland weg.

Erfahrungen betroffener Frauen ebenso wie vorgeschobene Begründungen wie die angeblich fehlende körperliche Tauglichkeit von Frauen für den Forstdienst legen die Vermutung nahe, organisationskulturelle Grundlage des Frauenausschlusses seien forstverwaltungstypische Annahmen über die Natur der Frau und ihre "natürliche" Stellung in Gesellschaft und Beruf gewesen: Frauen in forstlichen Leitungspositionen hätten allein aufgrund ihrer Weisungsbefugnis gegenüber männlichen Revierleitern erhebliche Irritationen ausgelöst.

Auch in der Gegenwart ist der Frauenanteil in forstlichen Leitungspositionen gering; er liegt unterhalb der Absolventinnenzahlen. So sind gegenwärtig in Rheinland-Pfalz - durchaus typisch - nur fünf Prozent der Beschäftigten im gehobenen und zehn Prozent im höheren Dienst Frauen. Die Mehrzahl der im Forst beschäftigten Frauen übt dagegen Verwaltungstätigkeiten aus. Gründe für diese Ungleichheit sind in der Organisationskultur zu finden, etwa in der Vorstellung, dass Frauen besonders kommunikationsfähig sind (z.B. Umweltbildung). Die Wahrnehmung von Familienarbeit als geschlechtsspezifisch beeinflusst mindestens unterschwellig Stellenbesetzungen und Beförderungen. Die verschiedenen Organisationsreformen erschweren strukturell die Gleichstellung: Personalabbau und die Zusammenlegung und Vergrößerung forstlicher Reviere führen dazu, dass derzeit kaum neu eingestellt wird. Zugleich sinkt die Zahl der Leitungsstellen. Hoffnungen, dass Formalisierung und Flexibilisierung als Teil der Reformen zu einer Öffnung der Forstverwaltungen führen könnten, haben sich dagegen nicht erfüllt. Geschlechtereffekte bzw. Auswirkungen auf Diversität wurden in den Reformen nicht systematisch berücksichtigt. Hier besteht im Sinne von Zukunftsfähigkeit deutlicher Nachholbedarf für Forstverwaltungen.

© 2005-2009 wa'gen – letzte Aktualisierung: 28.07.2010